EAAM-Stellungnahme zur Situation der Wale und Delfine im Marineland Antibes
- EAAM
- Apr 16
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„Wo es Jahrzehnte an Wissen, Fürsorge und Wissenschaft braucht, um zu schützen und zu pflegen, genügt ein einziger Slogan zur Zerstörung.“ – Europäische Vereinigung für Meeressäugetiere (EAAM)
Die Europäische Vereinigung für Meeressäugetiere (EAAM) äußert ihre tiefe Besorgnis über die derzeitige Situation der Wale und Delfine im Marineland Antibes. Diese Tiere wurden durch politische Unentschlossenheit, mangelnde wissenschaftliche Konsultation und jahrelange, fehlgeleitete Kampagnen – geprägt von Fehlinformationen, emotionaler Manipulation und aufdringlicher Lobbyarbeit – in eine prekäre und potenziell schädliche Lage gebracht.
Der Fall von Marineland Antibes unterstreicht den dringenden Bedarf an evidenzbasierter Entscheidungsfindung und an einem soliden, wissenschaftlich fundierten Rahmen, der das Wohlergehen von Meeressäugern unter professioneller menschlicher Obhut gewährleistet. Dieser Rahmen muss auch ihren bedeutenden Beitrag zur Forschung, zum Artenschutz und zur öffentlichen Bildung anerkennen und unterstützen.
Wale und Delfine in professionell geführten zoologischen Einrichtungen profitieren von individueller, fachkundiger Betreuung. Ihr Wohlbefinden wird regelmäßig mithilfe wissenschaftlich validierter Werkzeuge und Kennzahlen beurteilt. Diese Standards gewährleisten nicht nur die körperliche Gesundheit und das Verhaltenswohl der Tiere, sondern sind auch transparent und werden kontinuierlich von Tierärzt:innen, Wissenschaftler:innen und Tierpfleger:innen überprüft.
Studien zeigen, dass Wale und Delfine in anerkannten Einrichtungen eine vergleichbare oder sogar längere Lebensspanne haben als ihre Artgenossen in freier Wildbahn. Im Gegensatz dazu sind wildlebende Populationen zunehmenden Bedrohungen ausgesetzt – wie Verschmutzung, Kollisionen mit Schiffen, Beifang und Lebensraumzerstörung. Diese Tatsachen finden in der öffentlichen Diskussion selten Beachtung, sind jedoch entscheidend für jede ernsthafte Debatte über Tierschutz und Artenerhalt.
Seit 2015 sind französische zoologische Einrichtungen mit Walen und Delfinen Ziel intensiver Kampagnen in sozialen Medien und der Presse. Diese wurden durch aggressive politische Lobbyarbeit und strategische Klagen – eine Form der sogenannten „Lawfare“ – unterstützt, mit dem Ziel, ihre Schließung zu erzwingen. Diese Bemühungen werden häufig von ideologischen Motiven geleitet und nicht von wissenschaftlichen oder tierschutzfachlichen Grundlagen getragen.
In der Folge wurden irreführende Argumente verbreitet, die wissenschaftlichen Konsens und bewährte Praktiken in der Tierpflege ignorieren. Der politische Druck hat sich verstärkt und ist zunehmend losgelöst vom Fachwissen einschlägiger Expert:innen. Das Vertrauen der Öffentlichkeit in seriöse Forschungs- und Artenschutzeinrichtungen wurde systematisch untergraben.
Auch wenn diese Kampagnen als Einsatz für das Tierwohl dargestellt werden, werden sie oft von Laien und selbsternannten „Expert:innen“ angeführt. Die Konsequenzen sind gravierend: Einrichtungen wurden unter Druck zur Schließung gebracht, und die Zukunft der ihnen anvertrauten Tiere wurde gefährdet. Ohne realistische und anerkannte, wissenschaftlich gestützte Alternativen – wie entsprechend ausgestattete und zertifizierte Einrichtungen – steigen die Risiken für Gesundheit und Wohlbefinden der Tiere exponentiell. Genau dies ist der Fall bei den zwei Schwertwalen und zwölf Delfinen im Marineland Antibes.
In Ermangelung realistischer Optionen schlagen einige Stimmen sogenannte „Heiligtümer“ oder „Meeresgehege“ als Alternativen vor. Diese Konzepte mögen emotional ansprechend sein, scheitern jedoch häufig daran, den komplexen biologischen, verhaltensbezogenen und veterinärmedizinischen Bedürfnissen von Walen und Delfinen gerecht zu werden. Die meisten vorgeschlagenen Einrichtungen verfügen weder über eine geeignete Infrastruktur, noch über fachkundige Leitung oder langfristige finanzielle Tragfähigkeit – sie sind ungeeignet für eine qualitativ hochwertige, langfristige Betreuung. Diese experimentellen Konzepte werden oft ohne fundierte Machbarkeitsstudien propagiert, was die Tiere unnötigem Stress und noch größeren Risiken für ihr Wohlergehen aussetzt.
Besorgniserregend ist die ideologische Unnachgiebigkeit mancher zoo-kritischer Kampagnen, die nicht bereit sind, die Grenzen ihrer Vorschläge anzuerkennen. Dies kann zu dramatischen Szenarien führen, in denen sogar Euthanasie als sogenannte „Lösung“ vorgeschlagen wird – ein Gedanke, der in ähnlichen Zusammenhängen bereits angedeutet wurde. Solche Extrempositionen zeigen, wie gefährlich es ist, wenn Dogmen über Ethik und Wissenschaft triumphieren.
Die EAAM fordert die europäischen Regierungen und Institutionen nachdrücklich auf:
Klare Leitlinien und Notfallpläne zu erstellen, um in anerkannten zoologischen Einrichtungen gehaltene Wale und Delfine zu schützen, ihr Wohlergehen zu sichern und ihre wichtige Rolle für die wissenschaftliche Forschung und den Artenschutz zu wahren.
Eine strukturierte Zusammenarbeit zwischen Einrichtungen, Forschenden und politischen Entscheidungsträger:innen zu fördern, um die essenzielle Rolle von Zoos im Kampf gegen den Verlust der Biodiversität zu stärken.
Vereinfachte und ideologisch motivierte „Lösungen“ abzulehnen, die die Komplexität der Pflege mariner Säugetiere und den Wert bestehender professioneller Fachkompetenz verkennen.
Zukünftige politische Entscheidungen ausschließlich auf wissenschaftlicher Grundlage zu treffen und den Missbrauch von Emotionen sowie den Einfluss dogmatischer Aktivist:innen zu vermeiden.
Die EAAM appelliert nachdrücklich an die spanische Regierung, ihre Haltung zur Verhinderung der Umsiedlung der Tiere aus Marineland Antibes in akkreditierte spanische zoologische Einrichtungen zu überdenken. Es ist von größter Wichtigkeit, einen transparenten und konstruktiven Dialog zu initiieren – unter Einbeziehung aller relevanten Akteur:innen, einschließlich zoologischer Fachleute, Wissenschaftler:innen, Tierärztinnen, internationaler Institutionen und Tierschutzbehörden – um eine gemeinsame Lösung auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse und moderner Prinzipien des Tierwohls zu erarbeiten.
Das Fehlen sofort umsetzbarer Alternativen rechtfertigt keine Untätigkeit. Die langfristige Unterbringung dieser Wale und Delfine unter ungewissen Bedingungen, ohne eine realistische Perspektive, setzt sie erheblichen physischen und psychischen Risiken aus.
Die Weigerung, sie in dafür geeignete, zertifizierte Einrichtungen zu überführen, widerspricht den Empfehlungen zahlreicher Fachleute.
Es besteht ein dringender Handlungsbedarf, um mit Verantwortung und wissenschaftlicher Integrität eine Lösung zu schaffen, die das Wohlergehen und die Würde dieser Tiere respektiert.
Vorstand der EAAM
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